Biodiversität
»Mit Biodiversität sind die Vielfalt unserer Ökosysteme, unserer Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten gemeint – all das ist durch vielfältige Ursachen gefährdet […] Auffällig sind dabei Veränderungen in den Entwicklungserscheinungen (Phänologie), die sich z. B. im früheren Blühbeginn von Pflanzen oder in einer verlängerten Brutperiode von Vögeln zeigen. Solche Entwicklungen beeinflussen die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Arten und haben damit weitreichende Folgen.
Von den Folgen des Klimawandels negativ betroffen sind insbesondere Arten und Biotope nasser und/ oder kühl-feuchter Standorte (z. B. Hoch- und Zwischenmoore und ihre typischen Arten). Aber auch an hohe Berglagen angepasste Arten und Biotope können bei temperaturbedingter Verschiebung der Höhenstufen im Mittelgebirge nicht weiter nach oben ausweichen (z. B. natürliche hochmontane Fichtenwälder). Profiteure des Klimawandels sind dagegen, wie auch in der Landwirtschaft, wärmeliebende Arten und Biotope trockener Standorte. Ein Paradebeispiel dafür ist in Sachsen die Feuerlibelle.« (EKP 2021, Teil II, S. 91)
Kernthesen
- Wärmeliebende Arten profitieren von höheren Durchschnittstemperaturen.
- Klimasensible Arten verändern ihre angestammten Verbreitungsgebiete.
- Der phänologische Winter hat sich deutlich verkürzt und die meisten jahreszeitlichen Wechsel finden zeitiger statt.
Wärmeliebende Arten profitieren von höheren Durchschnittstemperaturen
Der Community Temperature Index (CTI) stellt mittel- und langfristige Auswirkungen der Temperaturentwicklung auf Tier- oder Pflanzengemeinschaften dar. Besonders bei hoher Temperaturabhängigkeit wie z. B. bei Insekten sind Reaktionen auf Klimaveränderungen bereits zu beobachten. Eine Zunahme des Index ist gleichbedeutend mit einer Zunahme wärmeliebender Arten. Eine signifikante Korrelation zwischen CTI und Jahresmitteltemperatur bringt zum Ausdruck, dass der CTI und damit die Zusammensetzung der Artengemeinschaft der klimasensitiven Artengruppe von der Temperatur abhängig ist.
Steigt der CTI mit der Zeitachse an, wie das bei Tagfaltern nachgewiesen wurde, dann hat sich das Verhältnis der Arten oder deren Populationsdichte dahingehend verändert, dass wärmeliebende Arten in ihrer Verbreitung anteilsmäßig zunehmen und kälteliebende Arten zurückgehen.
I-Bn-2 Arealveränderung
Klimasensible Arten verändern ihre angestammten Verbreitungsgebiete
Klimabedingte Verschiebungen von Arealgrenzen lassen sich mithilfe des Areal-Index (AI) abbilden, der die Änderungen der Grenzen von artenspezifischen Verbreitungsgebieten untersucht. Eine räumliche Wichtung der Arten hinsichtlich Temperatursensitivität erfolgt mittels Species Temperature Index (siehe I-Bn-1 Artenvielfalt).
Die Auswertung der sächsischen Tagfalterdaten hat eine deutliche Korrelation des Areal-Index mit der Jahresmitteltemperatur erwiesen. Wenn der Areal-Index wie im Falle der Tagfalter in der Abbildung über die Zeitachse ansteigt, dann haben sich die Areale (beispielsweise beurteilt anhand der besiedelten Messtischblattfelder) wärmeadaptierter Arten ausgeweitet oder die Areale kälteadaptierter Arten verkleinert oder beides.
Für einige in Sachsen bodenständige Arte wird eine starke Reduzierung der vorhandenen Klimanische bis hin zum möglichen Verschwinden der Art projiziert. Von den insgesamt 45 gelisteten Arten in der durchgeführten Studie (Wiemers et al. 2013) gelten 9 Arten als Profiteure des Klimawandels. Für die anderen 36 gelisteten Arten wird eine Verkleinerung der Klimanische erwartet. Für die Arten der Tabelle 2 sind die Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich der letzte entscheidende Faktor, der zum Verschwinden beiträgt (siehe Spalte 4 in Tabelle 1 und 2).
Art |
*RL-Kategorie Sachsen |
Veränderung in Sachsen |
Klimawandeleinfluss |
Großer Feuerfalter |
* |
+82 % |
Stark positiv |
Segelfalter |
2 |
+52 % |
Leicht positiv |
Wander-Gelbling |
* |
+24 % |
Leicht positiv |
Schachbrettfalter |
* |
+20 % |
Leicht positiv |
Östlicher Quendelbläuling |
1 |
+100 % |
Keine Angabe |
Art |
*RL-Kategorie Sachsen |
Veränderung in Sachsen |
Klimawandeleinfluss |
Hochmoor-Perlmuttfalter |
1 |
-100 % |
Leicht negativ |
Großer Schillerfalter |
2 |
-77 % |
Leicht negativ |
Trauermantel |
* |
-62 % |
Leicht negativ |
Tagpfauenauge |
* |
-31 % |
indifferent |
*Rote Liste-Kategorien in Sachsen nach REINHARDT (2007) 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnstufe, G = Gefährdung ist anzunehmen, D = Datenlage defizitär, R = extrem selten, * = keine Gefährdung |
- Schriftenreihe Heft 25/2013: »Monitoring Klimawandel und Biodiversität - Konzeption« Wiemers M., Musche M., Striese M., Kühn I., Winter M. & Denner M. (2013)
- Faktenblatt: I-Bn-2 Arealveränderung (*.pdf, 1,30 MB) Stand 2016
I-Bn-2b Verbreitung der Feuerlibelle als Beispiel
Innerhalb von 30 Jahren verbreitete sich die Feuerlibelle fast flächendeckend in Sachsen.
Jeder rote Punkt steht für mindestens einen Nachweis im Messtischblatt (ca. 11 × 11 km). Die Art wurde 1997 erstmals in Sachsen beobachtet. Seitdem vergrößert sich ihr Areal und die Anzahl der Nachweise nimmt zu (1991 – 2000: n = 1, 2001 – 2010: n = 110; 2011 – 2020: n = 370). CTI und AI der Feuerlibelle verzeichnen seit 1990 einen Anstieg.
Der phänologische Winter hat sich deutlich verkürzt und die meisten jahreszeitlichen Wechsel finden zeitiger statt
Phänologie ist das Studium wiederkehrender Ereignisse in der Natur im Verlauf der Jahreszeiten. Blühbeginn, Blattaustrieb, Samenreife und Blattfall bei Pflanzen sind allgemein geläufige Beispiele. An diesen Ereignissen orientiert sich die Einteilung der phänologischen Jahreszeiten.
In Sachsen verkürzte sich der phänologische Winter im 30-jährigen Mittel um 19 Tage, bei gleichzeitig früherem Eintreten des phänologischen Frühlings um 17 Tage. Die Dauer des phänologischen Frühlings im 30-jährigen Mittel nahm gegenüber der Klimareferenzperiode um 6 Tage zu. Auch der phänologische Sommer trat im Vergleich 11 Tage eher ein (bereits Ende Mai). Der phänologische Herbst löste den Sommer in der Bezugsperiode bereits 14 Tage eher ab als in der Klimareferenzperiode und dauerte 16 Tage länger. Der Eintritt des phänologischen Winters verschob sich in der Bezugsperiode gegenüber der Referenzperiode um 2 Tage weiter nach hinten.
Phänologische Jahreszeit |
Dauer 1961 – 1990 |
Dauer 1991 – 2020 |
Abweichung Dauer |
Frühling |
89 |
95 |
6 |
Sommer |
91 |
88 |
-3 |
Herbst |
55 |
71 |
16 |
Winter |
130 |
111 |
-19 |
Die Auswertungen des Community Temperature Index und des Arealindex haben unter anderem gezeigt, dass nicht nur wärmeliebende Arten bessere Bedingungen vorfinden. Auf der anderen Seite können kälte- und feuchtigkeitsliebende Arten, wie die in der Studie analysierten Libellen und Schmetterlingsarten, ihre Lebensräume verlieren (siehe I-Bn-2 Arealveränderung).
Feuchthabitate wie Auen und Moore sind besonders klimasensitiv und zusätzlich durch die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels bedroht. Dabei sind sie nicht nur wichtige Lebensräume, sondern übernehmen auch eine bedeutende Rolle im natürlichen Klimaschutz als CO₂-Senke.
Künftig entsteht ein neuer Indikator, der sich mit der Entwicklung ausgewählter sächsischer Moortypen unter den Folgen des Klimawandels beschäftigen soll.
Kontakt
Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Referat 55: Fachzentrum Klima
Leitung Dr. Johannes Franke
Telefon: 0351 2612-5500
Öffentlichkeitsarbeit Katja Rühle
Telefon: 0351 2612-5506