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Biodiversität

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(© H. Blischke)

Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) als Beispiel einer ursprünglich südlich verbreiteten, sich in Sachsen ausbreitenden Libellenart

Nahaufnahme einer Feuerlibelle. Das Insekt ist rot bis dunkelrot und sitzt auf einem hellgrünen Stängel, der Hintergrund ist stark verschwommen.
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(© M. Denner)

Renaturiertes Moor (Zadlitzbruch in der Dübener Heide)

Im unteren Drittel des Bildes ist das Moor zu sehen mit grün und roten Gräsern, Moosen etc. sowie Wasseroberfläche. Im Hintergrund ist ein kräftiger grüner Wald mit zahlreichen verschiedenen Baumarten am Ende der Mooroberfläche.
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(© J. Settele)

Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling als Beispiel für eine Tagfalterart, deren Lebensräume (v.a. Feuchtwiesen) zusätzlich zu anderen Gefährdungsursachen vom Klimawandel ungünstig beeinflusst werden

Nahaufnahme eines hellbraunen Falters, der auf einer dunkelroten Blüte sitzt. Der Hintergrund ist verschwommen, weitere rote Blüten sind zu erahnen und grüner Garten bzw. Wald.
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(© LfULG)

Kirschblüte im Frühling

Viele weiße Kirschblüten an einem Obstbaum.Zwischen den Ästen lugt blauer Himmel durch.
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(© J. Kiessling)

Hochmontane naturnahe Fichtenwälder im Erzgebirge (Zechengrund bei Oberwiesenthal)

Bild von einer hügeligen Lichtung aus in den Fichtenwald, der immer dichter wird. Weiterhinten erstreckt er sich über den Berg. Sonne scheint alles ist kraftig hell bzw. dunkelgrün. Gräser im Vordergrund.

»Mit Biodiversität sind die Vielfalt unserer Ökosysteme, unserer Arten sowie die genetische Vielfalt innerhalb der Arten gemeint – all das ist durch vielfältige Ursachen gefährdet […] Auffällig sind dabei Veränderungen in den Entwicklungserscheinungen (Phänologie), die sich z. B. im früheren Blühbeginn von Pflanzen oder in einer verlängerten Brutperiode von Vögeln zeigen. Solche Entwicklungen beeinflussen die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Arten und haben damit weitreichende Folgen.

Von den Folgen des Klimawandels negativ betroffen sind insbesondere Arten und Biotope nasser und/ oder kühl-feuchter Standorte (z. B. Hoch- und Zwischenmoore und ihre typischen Arten). Aber auch an hohe Berglagen angepasste Arten und Biotope können bei temperaturbedingter Verschiebung der Höhenstufen im Mittelgebirge nicht weiter nach oben ausweichen (z. B. natürliche hochmontane Fichtenwälder). Profiteure des Klimawandels sind dagegen, wie auch in der Landwirtschaft, wärmeliebende Arten und Biotope trockener Standorte. Ein Paradebeispiel dafür ist in Sachsen die Feuerlibelle.« (EKP 2021, Teil II, S. 91)

Kernthesen

  • Wärmeliebende Arten profitieren von höheren Durchschnittstemperaturen.
  • Klimasensible Arten verändern ihre angestammten Verbreitungsgebiete.
  • Der phänologische Winter hat sich deutlich verkürzt und die meisten jahreszeitlichen Wechsel finden zeitiger statt.
Gangliniendiagram über die Verbreitung wärmeliebender Schmetterlingsarten zur Jahresmitteltemperatur. Beide mit steigendem Trend.
Der Korrelationskoeffizient des CTI mit der Jahresmitteltemperatur beträgt 0,59*** (p=0,0002). Der ungewöhnlich hohe Peak des CTI im Jahre 2008 ist durch die starke Einwanderung des Wandergelblings (Colias crocea) bedingt, einer in Sachsen nicht bodenständigen Wanderfalterart. Bei Entfernung der Daten für diese Art aus der Analyse verschwindet dieser Peak. (Wiemers et al. 2013)  © LfULG

Wärmeliebende Arten profitieren von höheren Durchschnittstemperaturen

Der Community Temperature Index (CTI) stellt mittel- und langfristige Auswirkungen der Temperaturentwicklung auf Tier- oder Pflanzengemeinschaften dar. Besonders bei hoher Temperaturabhängigkeit wie z. B. bei Insekten sind Reaktionen auf Klimaveränderungen bereits zu beobachten. Eine Zunahme des Index ist gleichbedeutend mit einer Zunahme wärmeliebender Arten. Eine signifikante Korrelation zwischen CTI und Jahresmitteltemperatur bringt zum Ausdruck, dass der CTI und damit die Zusammensetzung der Artengemeinschaft der klimasensitiven Artengruppe von der Temperatur abhängig ist.

Steigt der CTI mit der Zeitachse an, wie das bei Tagfaltern nachgewiesen wurde, dann hat sich das Verhältnis der Arten oder deren Populationsdichte dahingehend verändert, dass wärmeliebende Arten in ihrer Verbreitung anteilsmäßig zunehmen und kälteliebende Arten zurückgehen.

I-Bn-2 Arealveränderung

Gangliniendiagram des Arealindex für Tagfalter gegenüber der Jahresmitteltemperatur. Alle mit steigendem Trend.
Areal Index (rot) bei Tagfaltern in Sachsen im Vergleich zum Species Temperature Index (grün) und der Jahresmitteltemperatur (blau). (Wiemers et al. 2013) Hinweis: Unterschiedliche Skalen.   © LfULG

Klimasensible Arten verändern ihre angestammten Verbreitungsgebiete

Klimabedingte Verschiebungen von Arealgrenzen lassen sich mithilfe des Areal-Index (AI) abbilden, der die Änderungen der Grenzen von artenspezifischen Verbreitungsgebieten untersucht. Eine räumliche Wichtung der Arten hinsichtlich Temperatursensitivität erfolgt mittels Species Temperature Index (siehe I-Bn-1 Artenvielfalt).

Die Auswertung der sächsischen Tagfalterdaten hat eine deutliche Korrelation des Areal-Index mit der Jahresmitteltemperatur erwiesen. Wenn der Areal-Index wie im Falle der Tagfalter in der Abbildung über die Zeitachse ansteigt, dann haben sich die Areale (beispielsweise beurteilt anhand der besiedelten Messtischblattfelder) wärmeadaptierter Arten ausgeweitet oder die Areale kälteadaptierter Arten verkleinert oder beides.
Für einige in Sachsen bodenständige Arte wird eine starke Reduzierung der vorhandenen Klimanische bis hin zum möglichen Verschwinden der Art projiziert. Von den insgesamt 45 gelisteten Arten in der durchgeführten Studie (Wiemers et al. 2013) gelten 9 Arten als Profiteure des Klimawandels. Für die anderen 36 gelisteten Arten wird eine Verkleinerung der Klimanische erwartet. Für die Arten der Tabelle 2 sind die Auswirkungen des Klimawandels wahrscheinlich der letzte entscheidende Faktor, der zum Verschwinden beiträgt (siehe Spalte 4 in Tabelle 1 und 2).

Tabelle 1: Auswahl an potenziellen Profiteuren des Klimawandels in Sachsen unter den Tagfaltern, deren Klimanische sich bis 2080 voraussichtlich ausdehnt (Wiemers et al. 2013).

Art

*RL-Kategorie Sachsen

Veränderung in Sachsen

Klimawandeleinfluss

Großer Feuerfalter

*

+82 %

Stark positiv

Segelfalter

2

+52 %

Leicht positiv

Wander-Gelbling

*

+24 %

Leicht positiv

Schachbrettfalter

*

+20 %

Leicht positiv

Östlicher Quendelbläuling

1

+100 %

Keine Angabe

 

Tabelle 2: Auswahl an potenziellen Verlierern des Klimawandels unter den Tagfaltern, deren Klimanische bis 2080 voraussichtlich kleiner wird, bis hin zum vollständigen Verschwinden der Art aus Sachsen. (Wiemers et al. 2013)

Art

*RL-Kategorie Sachsen

Veränderung in Sachsen

Klimawandeleinfluss

Hochmoor-Perlmuttfalter

1

-100 %

Leicht negativ

Großer Schillerfalter

2

-77 %

Leicht negativ

Trauermantel

*

-62 %

Leicht negativ

Tagpfauenauge

*

-31 %

indifferent

*Rote Liste-Kategorien in Sachsen nach REINHARDT (2007) 1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet, V = Vorwarnstufe, G = Gefährdung ist anzunehmen, D = Datenlage defizitär, R = extrem selten, * = keine Gefährdung

I-Bn-2b Verbreitung der Feuerlibelle als Beispiel

Foto der Feuerlibelle und Sachsenkarten mit Verbreitungsnachweis der Feuerlibelle von 1991 bis 2020
Ausbreitung der ursprünglich südlich verbreiteten Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) infolge des Klimawandels.  © LfULG Zentrale Artdatenbank 2024, Foto: Heiner Blischke

Innerhalb von 30 Jahren verbreitete sich die Feuerlibelle fast flächendeckend in Sachsen.

Jeder rote Punkt steht für mindestens einen Nachweis im Messtischblatt (ca. 11 × 11 km). Die Art wurde 1997 erstmals in Sachsen beobachtet. Seitdem vergrößert sich ihr Areal und die Anzahl der Nachweise nimmt zu (1991 – 2000: n = 1, 2001 – 2010: n = 110; 2011 – 2020: n = 370). CTI und AI der Feuerlibelle verzeichnen seit 1990 einen Anstieg.

Das Bild zeigt zwei ineinandergelegte Kreisdiagramme. Einzelne Abschnitte entsprechen den Jahreszeiten und sind farblich unterteilt. Winter blau, Frühling grün, Sommer rot, Herbst gelb. Pflanzennamen mit Datum zeigen den Beginn eines neuen Abschnitts.
Phänologische Uhr der Klimareferenzmethode und Bezugsperiode im Vergleich.  © DWD

Der phänologische Winter hat sich deutlich verkürzt und die meisten jahreszeitlichen Wechsel finden zeitiger statt
Phänologie ist das Studium wiederkehrender Ereignisse in der Natur im Verlauf der Jahreszeiten. Blühbeginn, Blattaustrieb, Samenreife und Blattfall bei Pflanzen sind allgemein geläufige Beispiele. An diesen Ereignissen orientiert sich die Einteilung der phänologischen Jahreszeiten.

In Sachsen verkürzte sich der phänologische Winter im 30-jährigen Mittel um 19 Tage, bei gleichzeitig früherem Eintreten des phänologischen Frühlings um 17 Tage. Die Dauer des phänologischen Frühlings im 30-jährigen Mittel nahm gegenüber der Klimareferenzperiode um 6 Tage zu. Auch der phänologische Sommer trat im Vergleich 11 Tage eher ein (bereits Ende Mai). Der phänologische Herbst löste den Sommer in der Bezugsperiode bereits 14 Tage eher ab als in der Klimareferenzperiode und dauerte 16 Tage länger. Der Eintritt des phänologischen Winters verschob sich in der Bezugsperiode gegenüber der Referenzperiode um 2 Tage weiter nach hinten.

Tabelle: Dauer der phänologischen Jahreszeiten in Sachsen im Vergleich (1961–1990 vs. 1991–2020)

Phänologische Jahreszeit

Dauer

1961 – 1990

Dauer

1991 – 2020

Abweichung Dauer

Frühling

89

95

6

Sommer

91

88

-3

Herbst

55

71

16

Winter

130

111

-19

Grüne Moorlandschaft mit stehndem Wasser, grünem hohem Gras und vereinzelten Bäumen im Vordergrund, helle Blüten wie weiße Punkte auf Gras verteilt und vielen Nadelbäumen im Hintergrund.
Georgenfelder Hochmoor: Im Erzgebirge angestauter Entwässerungsgraben mit blühendem Wollgras  © LfULG, M. Stock

Die Auswertungen des Community Temperature Index und des Arealindex haben unter anderem gezeigt, dass nicht nur wärmeliebende Arten bessere Bedingungen vorfinden. Auf der anderen Seite können kälte- und feuchtigkeitsliebende Arten, wie die in der Studie analysierten Libellen und Schmetterlingsarten, ihre Lebensräume verlieren (siehe I-Bn-2 Arealveränderung).
Feuchthabitate wie Auen und Moore sind besonders klimasensitiv und zusätzlich durch die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels bedroht. Dabei sind sie nicht nur wichtige Lebensräume, sondern übernehmen auch eine bedeutende Rolle im natürlichen Klimaschutz als CO₂-Senke.

Künftig entsteht ein neuer Indikator, der sich mit der Entwicklung ausgewählter sächsischer Moortypen unter den Folgen des Klimawandels beschäftigen soll.

Kontakt

Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

Referat 55: Fachzentrum Klima

Leitung Dr. Johannes Franke

Telefon: 0351 2612-5500

Öffentlichkeitsarbeit Katja Rühle

Telefon: 0351 2612-5506

E-Mail: FachzentrumKlima.lfulg­@smekul.sachsen.de

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